Ralf Wagner
[2.10. 2000]
Die Dänen und die "Kerneuropäer"
Es ist richtig, daß das
Euro-Referendum in Dänemark gezeigt hat, daß es in Europa zwei
unterschiedliche Gruppen von Staaten gibt. Nur handelt es sich
dabei nicht wie jetzt zu lesen um integrationswillige und
integrationsskeptische Länder, sondern um solche Länder, in den
das Volk befragt wird und solche, in denen die politischen Eliten
in arroganter Selbsüberhöhung genau dies verhindern.
Eine Mehrheit für den Euro hat es auch in Deutschland nie
gegeben, wohl aber die Zustimmung fast aller Parlamentarier zur
Währungsunion. Letztere war so überdeutlich, daß sich kaum
kein Politiker bemüßtigt fühlen mußte, ernsthaft auf
Einwände gegen die Einheitswährung einzugehen. Während es im
Artikel 21 des Grundgesetzes heißt, daß die "Parteien an
der politischen Willensbildung mitwirken", haben eben
diese Parteien hier die Willensbildung vorweggenommen und damit
praktisch ausgeschaltet.
Und obwohl sich das heute rächt, soll Europa heute auf gleicher
Weise weiter "vorangetrieben" werden. Keine Idee ist
dazu absurd genug, wenn sie nur europäisch ist, findet sie den
Beifall der politischen Klasse. So entwirft Außenminister
Fischer für seine Kerneuropäische Konförderation auch schon
mal Konvente, Präsidenten und Parlamente, welche eigentlich nur
neue "Spielwiesen" für hochbezahlte Politiker
darstellen, die versuchen werden, ihre Bedeutung durch noch mehr
Gesetzte und Vorschriften nachzuweisen. Von mehr Mitwirkung der
Regierten ist nirgends die Rede, nicht einmal beim Zustandekommen
eines solchen Konstrukts.
Eher ungewollt stellt Fischer damit aber die Frage: Wieviel EU
brauchen wir eigentlich? Eine Union, die es nicht geschafft hat,
zehn Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhanges auch nur ein
einziges ost-europäisches Land zu integrieren, verdient den
Namen "Europäisch" nicht. Augenscheinlich ist die
Erweiterung bislang auch nicht am magelnden Reformeifer der
Beitrtittkandidaten gescheitert, sondern an der Unfähigkeit der
EU-Mitgliedsländer, sich von ohnehin aberwitzigen
Umverteilungsverhältnissen wie z.B. in der Agrarmarktordnung zu
trennen - mithin am nationalen Besitzstandsdenken der angeblich
integrationswilligen Kerneuropäer. Hinzu kommt, daß keines der
EU-Gremien auch nur annähernd so demokratisch legitimiert und
kontrolliert ist, wie es in den Mitgliedsländern lange
üblich ist. Da kann man schon darüber nachdenken, ob in einer
globalisierten Welt die Völker durch ihre Regierungen nicht
besser vertreten werden könnten als durch eine abgehobene
europäische Kunstelite, ob ein langwierig zustandegekommener
zweitklassiger europäischer Kompromiß die Positionen der
Europäer nicht eher schwächt als befördert.
In der Tat, die Dänen sind den "Kerneuropäern" eher
einen Schritt voraus. Deutschland sollte sich an ihnen ein
Beispiel nehmen und dazu bräuchten die Politiker ihre Wähler
nur einmal außerhalb der üblichen Wahlen zu befragen - und
entscheiden lassen. Nicht dadurch schwächen sie ihre Position,
wohl aber durch die unsinnige Ansicht, daß Politiker besser und
schlauer sind als das Volk, das sie regieren. [2.10.2000]
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