Ralf Wagner

 
  Bangemachen gilt nicht
  Unseriöse Prognosen über die Folgen seiner Verschiebung sollen den EURO doch noch retten
   
  Wurden bislang alle Bedenken über den EURO von vornherein als Mäkelei am großen europäischen Aufbauwerk abgetan ist mittlerweile die Diskussion um eine Verschiebung des Start der Währungsunion unüberhörbar.

Keines der Länder, die beim EURO dabeisein wollen (von Luxembourg mal abgesehen), kann die Kriterien des Maastrichter Vertrages rechtzeitig und ohne Tricks erfüllen. Allein schon dadurch wäre eine Verschiebung begründbar. Betrachtet man jedoch die Reaktionen der Politiker auf diese Tatsache, wird ein Abrücken von angestrebten Termin geradezu notwendig.

Nun wird es immer offensichtlicher, daß, als die EU-Regierungschefs sich 1992 in Maastricht weder über Grundzüge einer gemeinsamen Fiskalpolitik noch über soziale Standards im Binnenmarkt einigen konnten, sie ihren europäischen Tatendrang durch das Ziel einer einheitlichen Währung dokumentieren wollten. Schließlich mußte "Europa ja weiter voran gebracht werden". Wenn man wirkliche Aufgaben nicht lösen kann, dann stellt man sich eben selbst einfachere.

Da schien eine Währungsunion als quasi einfacher technischer Akt brauchbar. Insbesondere der deutsche Bundeskanzler hatte mit der damals erst kurze Zeit zurückliegenden Währungsunion, die der DDR die D-Mark brachte, doch gute Erfahrungen gemacht. Die Politik gab sie in Auftrag und die Banken wickelten sie problemlos ab. Und ähnlich wie damals versprach auch diesmal Helmut Kohl und mit ihm fast alle maßgeblichen Politiker in Europa "blühende Landschaften" für die Gemeinschaft.

Während sich die Kriterien als zufällig festgelegt, die Maßnahmen zu ihrer Erreichung sich als überzogen und in den Folgen geradezu kontraproduktiv sind die Visionen von den segensreichen Wirkungen des EURO nun der letzte verbleibende Anker seiner bedingungslosen Befürworter.

Kaum, daß die Verschiebungsdiskussion eingesetzt hat, werden Szenarien wie Drohgemälde an die Wand gemalt, was Deutschland erwarten würde, käme der EURO nicht zum Stichtag.

Das soll die D-Mark unter Aufwertungdruck geraten, da das Kapital, welches derzeit in Weichwährungsländer - mit der Spekulation auf die dortigen hohen Zinsen und die dann problemlose Umstellung der Konten inclusive der Gewinn in EURO - geflossen ist, zurückkommt und den Kurs der D-Mark in die Höhe treiben wird. Ja brauchen wird den EURO, um die Spekulationen aus der Kapitalflucht aufgehen zu lassen? Und was den Kurs der D-Mark betrifft, so unternimmt die Regierung ja derzeit alles, was die Mark Woche für Woche schwächer werden läßt.

Käme der EURO nicht und würde dadurch die D-Mark unter Aufwertungdruck geraten, so wären die Arbeitsplätze in der Exportwirtschaft gefährdet. Das sind dann schon zwei Unterstellungen, von denen zumindest die erste fraglich ist.

Richtig ist aber, daß Deutschland gerade gegenüber den EU-Ländern einen riesigen und permanenten Exportüberschuß aufweist. Das mag zwar zunächst erfreulich sein, doch es ist wohl ebenso einleuchtend, daß man auf Dauer nicht anderen immer mehr verkaufen kann, als ich von ihnen beziehe. Irgendwann wird den Partner das Geld ausgehen oder sie werden dies als ungerecht empfinden.

Allerdings braucht hier kein Staat einzugreifen, denn die Devisenmärkte regeln diese Problem auch allein - solange es sie gibt. Um einen Land wie der Bundesrepublik ihren Exportüberschuß abkaufen zu können, benötigen unsere Partner auch ständig mehr D-Mark zu dessen Bezahlung. Dadurch kommt die Mark tatsächlich unter Aufwertungsdruck, nur liegt die Ursache dafür bei uns selbst. Die Folge ist eine Verteuerung der deutschen Waren auf den Außenmärkten, was wiederum dem Exportüberschuß entgegenwirken wird. Vernünftig wäre es nun, mehr zu importieren, damit unsere Partner das Geld verdienen können, was sie für unsere Waren ausgeben. Unvernünftig ist es, den Exportüberschuß zum Fetisch zu machen die Verteuerung der Güter auf den Außenmärkten durch immer stärkere Kostensenkung wettmachen zu wollen. Irgendwann hat man sich dann totgespart. Geht man diesen falschen Weg, ruiniert man durch ständigen Druck auf die Löhne und Freisetzungen auch noch die Binnennachfrage, die eigentliche Alternative zum Exportüberschuß.

Unredlich ist es aber nun, daß Problem des Exportüberschusses nun dadurch lösen zu wollen, daß im EURO-Gebiet rund sechzig Prozent vom deutschen Außenhandel zum Binnenhandel wird und dessen Folgen damit "europäisiert" werden. Die Rechnung dafür werden uns unsere Partner alsbald als Forderung nach Ausgleichszahlungen in den bekannten Brüsseler Dimensionen präsentieren.

Geradezu abenteuerlich aber wird es, wenn jene, die bei der Frage, wieviel Arbeitsplätze der EURO den schaffen würde, in Gemeinplätze verfallen und die Antwort schuldig bleiben, jetzt da der EURO auf der Klippe steht, angeblich genau ausrechnen können, wieviel Arbeitsplätze das kosten würde. So "errechnete" das

Frankfurter Wefa-Institut, einen Wachstumsausfall von 0.7 Prozentpunkten (von welchem Wachstum?) und 130 000 (von wievielen?)nicht entstehende Jobs. Das ist dann schon fast Glaskugel-Prognose.

Der EURO stand nicht auf der Tagesordnung - die Bundesbank wußte z.B., wie man heute weiß, vorab nichts vom Maastrichter Plan - , die Kriterien entspringen der Beruhigungsabsicht der Politiker und nicht wirtschaftswissenschaftlichem Sachverstand, das Streben nach ihrer Erreichung führt zielsicher zum Gegenteil des Gewollten. Um den EURO dennoch einzuführen werden nun die Bilanzen korrigiert, die Kriterien, deren Anvisierung hunderttausende Jobs gekostet hat, werden durch die, welche sie verkündet hatten nun selbst aufgeweicht, und zu guterletzt werden nun Horrorgemälde erdacht, um den EURO dennoch zu rechtfertigen.

Das kann alles in allem nur bedeuten, daß der EURO, wenn er kommt, weicher sein wird als angenommen, daß die Politiker weder die Währungsunion noch der deren Folgen bedacht haben. Ihr Agieren derzeit ist hilflos, vom Management "danach" fehlt jede Spur. Die Kompetenz der Politik auf diesem Gebiet ist verschlissen. Überflüssig, den EURO zu kritisieren: seine Strategen haben selbst alles dafür getan, daß Projekt als die schlimmste aller Varianten erscheinen zu lassen. Es wird daher wohl nun kaum jemand geben - die politische Klasse ausgenommen -, der den EURO vermissen würde.

(9. Juni 1997)

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