Ralf Wagner Leitfaden Volkswirtschaftslehre © 1996-2002
Kapitel 18
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    18. Europäische Union und Europäischer Binnenmarkt
EU
EG

EGKS EWG Euratom

  Die Europäische Union (EU) ist durch den Vertrag von Maastricht (1992) im Jahre 1993 aus den Europäischen Gemeinschaften (EG) hervorgegangen. Diese wiederum faßten seit der Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte 1986 die sog. Gründungsgemeinschaften zusammen. Dabei handelt es sich um die 1952 gegründete Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, auch Montanunion genannt), welche nach Ablauf des auf 50 Jahre geschlossenen Vertrages 2002 im Gemeinschatsrecht aufgegangen ist, die durch die Römischen Verträge von 1957 geschaffene Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG - gilt als eigentlicher Ursprung der heutigen EU) und die ebenfalls 1957 geschaffene Gemeinschaft Euratom (Gemeinsame Atomenergie-Behörde, früher Atom-Gemeinschaft) .
Die heutige Europäische Union besteht aus den drei Säulen (I) Europäische Gemeinschaft (EG), (II) Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und (III) Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS). Dabei kommt der EG als durch den EG-Vertrag (EGV) geregelten wirtschaftlicher Säule besdondere Bedeutung zu. Im gegenwärtigen Prozess der Neuregelung der Arbeitsweisen und Verantwortlichkeiten (auch Verfassungsprozess genannt) ist die Neuzuordnung von Verträgen und Vertragsbestandteilen vorgsehen.
Binnenmarkt
Grundfreiheiten

Agrarmarktordnung

Euro

  Gründungsziel der EWG war neben der Agrarmarktordnung die Schaffung eines einheitlichen Europäischen Binnenmarktes. Dieser soll durch einen großen und transparenten Markt die Produktivität innerhalb der Gemeinschaft erhöhen, die Konkurrenzfähigkeit europäischer Produkte verbessern und den Wohlstand der Gemeinschaft heben.
Das Binnenmarktprogramm beruht auf den vier Grundfreiheiten (Freiheit des Waren- und des Dienstleistungsverkehrs, freier Kapitalverkehr, freier Personenverkehr). Mit der 1999 in zunächst 11 Ländern gestarten und derzeit in 15 Ländern abgeschlossenen Einführung des Euro als Währung wurde die Markttransparenz wesentlich erhöht und der Zahlungsverkehr (
SEPA) vereinfacht.
Gemeinsame gefunden Prinzipien für den Binnenmarkt und nationalstaatliche Regelungen und Interessen stehen aber dennoch oft genug im Widerspruch.
    Mit der allerdings mit Einschränkungen vorgenommenn Aufnahme Bulgariens und Rumäniens umfasst die EU seit 2007 27 Staaten (1952:6, 1973:9, 1981:10, 1986: 12, 1995: 15, 2004: 25). Zahlreiche Länder sind mit der EU assoziiert (z.B. AKP-Staaten) bzw. haben mit ihr Vereinbarungen über die Zusammenarbeit und den Handel zum Beispiel im Europäischehn Wirtschaftsraum (EWR, EU und EFTA-Länder) geschlossen. Die Türkei, Kroatien und Mazedonien haben den Status von Beitrittskandidaten.
     
Supranationalität

Europ. Rat

Ministerräte

Kommission der EU


Europäisches Parlament

 
Da die EU als supranationale Organisation (Bezeichnung insbesondere angewandt auf EG) aus einzelnen souveränen Mitgliedsländern besteht, werden die Geschicke der Staatengemeinschaft auch durch die gewählten Vertreter dieser Länder bestimmt. An erster Stelle steht der Europäische Rat, bestehend aus den Regierungs- bzw. Staatschefs (F). Er entscheidet über Grundfragen der Entwicklung der Union. Der Vorsitz, die Ratspräsidentschaft wechselt halbjährlich unter den Mitgliedern. Fachfragen werden durch den Ministerrat bzw. den Rat der Europäischen Union beraten und entschieden, dem die jeweiligen Fachminister angehören und in dem bei Grundsatzfragen das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Alle anderen Entscheidungen werden mit qualifi­zierter Mehrheit (gewichtete Stimmen der Mitgliedsländer getroffen. Die Europäische Kommission als Hüterin der Verträge organisiert und überwacht die Umsetzung der Aufgabenstellungen der Union. Der Europäische Gerichtshof hat die Aufgabe, bei der Auslegung und Anwendung der Verträge für die Wahrung des Rechts zu sorgen, der Rechnungshof kontrolliert die ordnungsgemäße Mittelverwendung. Wirtschafts- und Sozialausschuß (Vertreter der Sozialpartner und an­derer Interessengruppen) sowie der Ausschuß der Regionen (Vertreter der Gebietskörperschaften) ergänzen die Organe der EU. Die Rechte des Europäischen Parlaments wurden durch den Maastrichter Vertrag gestärkt und umfassen neben der Mitwirkung an der Willensbildung in der Union die Haushaltskontrolle und die Kontrolle der Kommission. Da die Stimmengewichte der Ländern in den einzelnen Gre­mien nicht den wirklichen Einwohnerproportionen entsprechen, wird oft von einem „Demokratie-Defizit“ gesprochen.
    Die Finanzierung der EU erfolgt ohne Kreditaufnahmen durch Eigenmittel der Mitgliedsländer. Nach ihrer Herkünft waren das 2007 Zuführungen der Mitgliedsländer nach ihrem Bruttonationaleinkommen (68,2%), Umsatzsteueranteile (16,1%) und sog traditionelle Eigenmittel (Agrarzölle und Zuckerabgaben, 15,8%).
Obwohl die Ausagen für den Agrarsektor noch immer den Hauptteil (fast 50%) der Ausgaben ausmachen, sind diese Leistungen auf einzelne neuen Positionen aufgeteilt.
Abb. 18-2:
Ausgaben der EU 2008,
Gasamtvolumen
120 Milliarden Euro,
Daten: Eurostat
  RW Abb. 18-2: Ausgaben der EU 2008
Quelle:
EU-Kommission 2005
  Bedingt durch die einseitige Ausgabenstruktur, welche der hauptsächlichen Finanzierung durch Mehrwertsteueranteile gegenübersteht, weisen die einzelnen Mitgliedsländer unterschiedliche Nettosalden auf. Während Deutschland im Anteil am BNE (-0,27%), die Niederlande (-0,52%) und Schweden (-0,3%) beispielsweise Nettozahler sind, gehören Malta (+2,07%), Griechenland(+2,19%) und Litauen (+2,35) zu den Nettonehmern. In der Summe ist Deutschland mit einem Saldo von -6 Milliarden Euro der größete Nettozahler und Spanien mit +6 Milliarden Euro der größe Nettonehmer.
ECU

EWS

Euro

  Lange Zeit wurden die Geldleistungen in der EU mit der European Currency Unit (ECU) verrechnet. Dieser setzte sich aus den Währungen der Mitgliedsländer, gewichtet mit dem Anteil ihres BIP an dem der gesamten Union, zusammen. Die Währungen wurden vergleichbar, indem sie täglich mit ihrem Kurs zu einer Drittwährung, dem US-$, bewertet werden. Als Zahlungsmittel war der ECU allerdings nicht verwendbar. Zur Förderung des EU- Binnenhandels und zur Vorbereitung auf die Währungsunion hatten sich die meisten Mitgliedsländer zudem im Europäischen Währungssystem (EWS, seit 1976) zusammengeschlossen. In diesem System wurden durch Interventionen der jeweils beiden betroffenen Zentralbanken die Wechselkurse der Länder gegeneinander in bestimmten Bandbreiten gehalten.
Am 1.1. 1999 löste der Euro den ECU ab und wurde gleichzeitig nach dem Maastrichter Vertrag zur gemeinsamen Währung der EU- Mitgliedsländer. Bis zur Bargeldeinführung am 1.1. 2002 existierte der Euro als System fester Wechselkurse, als Einheit zur Kapitalbewertung und als unbares Zahlungsmittel. Derzeit
2009 gehören dem Euroraum 16 Länder an. Voraussetzung für den Eintritt weiterer Währungen ist die Erfüllung sog. Konvergenzkriterien (bestimmte Werte bei Staatsverschuldung, Inflationsrate, Wirtschaftswachstum und Haushaltsdefizit) sowie eine Mitgliedschaft im EWS II, also einer Bandbreitenbindung der jeweiligen Währung an den Euro.
Abb. 18-3 : Entwicklung der EU und des Euro (rot)   RW Abb. 18-3 : Entwicklung der EU und des Euro (rot)

    Zwar bekennt sich die EU zum freien Welthandel, doch ist insbesondere die Agrarmarktregulierung der Union immer wieder ein Kritikpunkt innerhalb der Welthandelsorganisation (WTO, früher GATT) und in der Zusammenarbeit mit anderen Staatenbünden (ASEAN, NAFTA usw.).
Werte 2008, Quelle Eurostat,
Deutschland 30000 €/Kopf
  Wirtschaftliche Unterschiede prägen die Europäische Union. Vom durchschnittlichen BNE/Kopf von 26000 Euro weichen Luxemburg (77000 Euro) und Irland 44000 Euro) am deutlichsten nach oben sowie Bulgarien (4300 Euro) und Rumänien (6100 Euro) nach unten ab.
Die Regionen der EU wachsen unterschiedlich schnell. Dies führt derzeit zu einer stärkeren Differenzierung der Pro-Kopf-Einkommen.
     
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