Ralf Wagner
[8.1. 06]

Der Kombilohn paßt nicht - zum alten Denken
zu Elisabeth Niejahr: "Der Kombi-Hohn" in Die Zeit 2/2006

Deutschland hat es schwer mit seinen Eliten, mit ihrer Überzeugung, selbst nie Fehler gemacht zu haben, ihrer Arroganz, nichts von anderen lernen zu können und ihren verkorksten Vorstellungen von Gleichheit als Gerechtigkeit. Gerade im Angesicht der Wirkungslosigkeit von Hatz IV wären da ein wenig mehr Selbstzweifel angebracht.
Diese „Reform“ hat, anders als Frau Niejahr schreibt, zwar die „Angst vor dem Absturz bis weit in die Mittelschicht getragen, nicht jedoch den Anreiz zur Arbeit erhöht. Während diejenigen unter den Harz-IV-Empfängern, welche früher viel in die Sozialkassen entrichtet und Steuern gezahlt haben, in der Tat deutliche Einbußen hinnehmen mußten, haben sich die Nettoeinkommen aller anderen – und das sind rund 60 Prozent der Leistungsbezieher – allein im Jahr 2005 um mehr als 10 Prozent erhöht. Die „Veränderung in den Köpfen“ waren also die Botschaften: „Einzahler bekommen im Bedarfsfall immer weniger“ und „Nichtarbeit bringt ein wenig mehr – auf jeden Fall mehr als Arbeiten“.
Daran können auch bürokratische Lohnzuschüsse, deren Aufwand in der Regel den gezahlten Lohnzuschuß überschreitet, und Einzelfallösungen nichts ändern. Ebenso macht es wenig Sinn, ein reichliches Drittel der Arbeitslosen als Bildungsverlierer zu bezeichnen. Das mag tröstlich wirken, das Problem lösen wird es jedoch nicht. Im Gegensatz zur ideologisch bornierten Wahnvorstellung, mit ausreichender Qualifikation alle z.B. zu IT-Spitzenkräften fortbilden zu können, kommt es vielmehr darauf an, genügend Arbeitsnachfrage nach wenig qualifizierten Tätigkeiten zu schaffen. Keiner würde das mehr begrüßen als die sogenannten Bildungsverlierer selbst.
Genau das aber ist das Konzept der Negativsteuer oder des Kombilohnes. Natürlich sind dafür Modellversuche zu kurz gegriffen und natürlich sind die dafür die alternativen Transfereinkommen in Deutschland zu hoch. Wer aber working poor, also arbeitende Arme, nicht als Abwertung versteht, wird dem etwas abgewinnen können. Anders als in abgehobenen Zirkeln und auch in dieser Zeitung diskutiert ist jede Arbeit zumutbar und Selbstwertgefühl ohne Arbeit unmöglich. Das Gegenteil ist blanker Zynismus hilfloser Intellektueller, der ein immer größeren Anzahl von Menschen ein Leben lang von Arbeit ausschließt und von ebenfalls beständige anwachsende Transferleistungen abhängig macht. 17 Prozent des Bundeshaushaltes fließen ins das ALG II, mehr als 25 Prozent sind vor allem infolge von Frühverrentungen Zuschüsse für die Rentenkasse. Angesichts dieser Ausgaben zu behaupten, Kombilöhne seien nicht finanzierbar, ist absurd.
Jeder Euro, der für Arbeit ausgegeben wird, ist sinnvoller als einer für Nichtarbeit. Und was, bitte schön, wäre denn so schlimm daran, die niedrigen Einkommen von Kellnern und Teilzeitverkäuferinnen zu subventionieren. Deren Nettoeinkommen liegen sehr oft unter den bei Nichtarbeit möglichen Transferseinkommen. DAS ist in der Tat unsozial.
Es ist an der Zeit, daß dieses Land und seine Medien sich mehr um die Lebensumstände derer kümmern, die es durch ihre Arbeit finanzieren, anstatt immer neue Transferansprüche zu eröffnen. Dann machen auch Negativsteuer bzw. Kombilohn einen Sinn.

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