Ralf Wagner Leitfaden Volkswirtschaftslehre © 1996-2002
Kapitel 9
  Ralf Wagner Leitfaden Volkswirtschaftslehre © 1996-2009
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    9. Wirtschaftskreislauf
   

Alles hängt mit allem zusammen –
und der Wirtschaftskreislauf zeigt wie.

     
    Nachdem in den vorangegangen Kapiteln das Wirken der Wirtschaftssubjekte im einzelnen untersucht sowie das Wirken und die Grenzen der Regulierung durch die Märkte dargestellt wurden, soll nun das Augenmerk auf die Volkswirtschaft als Ganzes gelegt werden.
Kreislauf
Ströme
  Ausgangspunkt ist die Analyse der arbeitsteiligen Herstellung von Gütern und Leistungen, welche die Grundlagen des materiellen Wohlstandes einer Gesellschaft bilden. Hierbei bedient man sich der Abbildung einer Volkswirtschaft als Kreislauf. Die in einem solchen Kreislauf fließenden Ströme sind ihrer Art nach entweder Realströme (Güter, Dienst- und Faktorleistungen) oder Geldströme. Man kann zeigen, daß jeder Realstrom einen umgekehrt gerichteten Geldstrom "als Partner" hat, der dem Realstrom wertgleich ist, z.B. Güterkäufe und Geld für Güterkäufe oder Faktorleistungen und Faktorentgelte. Diese enge Zuordnung und die Wertgleichheit erlauben es, in den Darstellungen auf eine Stromart zu verzichten und nur die andere, in der Regel Geldströme abzubilden.
Pole   Die Wirtschaftssubjekte, zwischen denen die Ströme fließen, werden Pole genannt. Je nachdem wie detailliert man eine Volkswirtschaft betrachtet, werden die Pole untergliedert. In einer allgemeinen Darstellung unterscheidet man zunächst zwischen Unternehmen, Haushalten und dem Staat (öffentliche Haushalte) sowie den sog. Kapitalsammelstellen (Banken) dem Ausland ("übrige Welt").

Abb. 9-1:
Kreislauf
einer offenen Volkswirtschaft mit Staatstätigkeit
(gestrichelte Linien = Staatstransfers)
  RW Abb9-1: Wirtschaftskreislauf

    Die Abbildung 9-1 zeigt eine solche Volkswirtschaft als geschlossenen Kreislauf, d.h. aus ihm gibt es keine Abströme und in ihn keine Zuflüsse. Der Pol "Ausland" ermöglicht die Darstellung einer offenen Volkswirtschaft in einem geschlossen Kreislauf.
Wilhelm Krelle, deutscher Ökonom, geb. 1916   In einem Geschlossen Kreislauf gilt, daß an jedem Pol die Summe der Zuströme gleich der Summe der Abströme ist (Krelle-Axiom), wobei entstehende Differenzen (Salden) als Zu- bzw. Abstrom an anderen Polen wiederzunfinden ist.
Kontensystem

öffentliche Güter

  Dies ermöglicht die Darstellung in einem volkswirtschaftliche Kontensystem, wie es zum Beispiel das Statistische Bundesamt für Deutschland aufstellt. Die in den Konten aufgeführten Ströme dienen der Ermittlung der Wirtschaftsleistung, wie sie im » Kapitel 10 dargestellt wird.
Zur besseren Darstellung werden jedem Pol ein Produktions-, ein daraus resultierendes Einkommens- und ein wiederum daraus abgeleitetes Vermögenskonto zugewiesen. Da in den Haushalten keine Erzeugung von Gütern und Leistungen für den Austausch stattfindet, haben sie kein Produktionskonto. Der Staat hingegen stellt öffentliche Güter (Bildung, Verwaltung, Sicherheit etc. her) und "kauft diese quasi bei sich selbst", d.h. er finanziert sie durch Geld von seinem durch Steuern "gefüllten" Einkommenskonto.
    Für die nachfolgende Darstellung 9-2 wurde eine offene Volkswirtschaft mit Staatstätigkeit gewählt, in der alle Kapitalaktivitäten zu einem Vermögenskonto (Bankensystem) zusammengefaßt wurden.
Abbildung 9-2:

ausgewählte Buchungen
in einem
Kontensystem
für eine offene
Volkswirtschaft

(zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Übungsaufgabe VGR

  RW  Abb9-2: Kontensystem offene VW

Vermögen   Zunächst werden die Entwicklungen in einem Jahr betrachtet, d.h. Zins- und Tilgungsströme entstehen daher noch nicht. Bei einer Darstellung über längere Zeiträume ist die Verbindung mit der Vermögensrechnung (Kapitel 13) angebracht.
Finanzierung
Exportüberschuss
Zahlungsbilanz
  „Schlussbaustein“ der Kreislaufdarstellung und des Kontensystems ist der Geldstrom „Geldforderung positiver Außenbeitrag“. Für den Fall eines positiven Außenbeitrages stellt er die Finanzierung dieses Exportüberschusses durch Kredite des inländischen Bankensystems an das Ausland dar (umgekehrte Pfeilrichtung bei Importüberschuss und Kreditaufnahme). Erstellt damit auch die Verbindung mit der im Kapitel 17 erläuterten Zahlungsbilanz dar.
Abb. 9-3:
Finanzierung
des Export-
überschusses
  RW Abb. 9-3: Finanzierung Exportüberschuss

    Die Abbildung 9-3 zeigt, dass durch den Exportüberschuss ein Einkommensüberüberschuss entsteht, der wiederum zu einer zusätzlichen Sparleistungen führt. Verfügt des Bankensystem nicht über genügend attraktive Angebote oder wird der Exportüberschuss zwangsweise hergestellt (Merkantilismus, Zentralverwaltungswirtschaften) kann dieser Einkommensüberschuss jedoch preistreibend wirken (Inflation).
Um eine entsprechende Verzinsung zu sichern, muss das Bankensystem die zusätzlichen Spareinlagen als Kreditangebot an das Ausland weitergeben. Ein Exportüberschuss führt also zu einem gleich großen Kapitalexport (KX).
Zusätzliche kreditfinanzierte inländische Nachfrage hingegen würde durch steigende Importe oder sinkende Exporte den Export- und damit auch den Kapitalüberschuss vermindern.
    Für sich allein genommen stellt ein Exportüberschuss ein Ungleichgewicht und damit ein längerfristiges Risiko dar, welches sich beispielsweise in der abnehmenden Zahlungsfähigkeit der Handelspartner, deren Verschuldung und damit der Unsicherheit der durch das zusätzliche Sparen gebildeten Vermögen sowie Wechselkursanpassungen zeigen kann. Idealtypisch wird ein Ausgleich durch wachsende Importe und die Zahlung von Zins und Tilgung aus deren Erlösen hergestellt.
Input-Output-Analyse   Aufbauend auf dem gesamtwirtschaftlichen Kontensystem können die Ver­flechtungen einer Volkswirtschaft untersucht werden. Dies geschieht mit der Input-Output-Analyse, welche hier jedoch nicht weiter dargestellt wird.
     
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