Ralf Wagner Leitfaden Volkswirtschaftslehre © 1996-2002
Kapitel 13
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    13. Finanzpolitik
öffentliche Güter

Transfereinkommen

  Wie in den vorangegangenen Abschnitten ( AM 9 und 10) dargestellt, erhebt der Staat auf die durch wirtschaftliche Leistung erzielten Einkommen und Umsätze Steuern. Diese dienten ursprünglich zu Finanzierung der Staatsaufgaben (öffentliche Güter), welche dann wie z.B. in Form von Bildung, innerer und äußerer Sicherheit aber auch einer funktionierenden Verwaltung allen Wirtschaftssubjekten nahezu kostenlos zur Verfügung stehen. Die politische Willensbildung hat die Palette der Staatsausgaben und damit auch der zu finanzierenden öffentlichen Güter in den zurückliegenden Jahren deutlich erweitert. Dabei reichen die Zielsetzungen der Ausweitung der Staatstätigkeit von einer notwendiger Unterstützung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (z.B. Infrastrukturinvestitionen) bis hin zur Finanzierung sozialer Aufgaben (z.B. Sozialhilfe). Damit führt diese Staatsintervention sowohl zur "Herstellung" öffentlicher Güter, welche wiederum in die Wirtschaftsleitung eingehen, als auch zu Transfereinkommen.
Fiskalpolitik

Parafisken

  Neben diesen Aktivitäten, welche auch als Fiskalpolitik (fiskus = lat. Geldkorb) bezeichnet werden, werden durch Gesetz weitere Umverteilungen geregelt. Insbesondere handelt es sich dabei um die sozialen Sicherungssysteme, also die Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Diese werden auch Parafisken genannt.
Finanzpolitik   Unter Finanzpolitik versteht man daher die Einnahmen- und Ausgabenpolitik der Gebietskörperschaften und Pflichtversicherer einschließlich des Schuldenmanagements
     
John Meynard Keynes, Baron K. of Tilton, (1883-1946), wurde mit der "Allg. Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes" (1936) zum Begründer einer neuen Richtung der Volkswirtschaftslehre   1. Einnahmen und Ausgaben der Gebietskörperschaften

Grundlage der Einnahmen- und Ausgabenpolitik der Gebietskörperschaften ist zunächst einmal die relativ unumstrittene Definition staatlicher Grundaufgaben. Darüber hinaus kamen in den siebziger Jahren die durch J.K. Keynes beschrieben Funktionen des Staates als sog. antizyklischer Regulator der Wirtschaft und ein die Nachfrage erhöhender Motor des langfristigen Wachstums ( AM 20) hinzu. Das Ausbleiben der langfristig erwarteten Wachstumseffekte, gravierende Strukturprobleme und ein daraus resultierendes Anwachsen der öffentlichen Verschuldung führten ein Jahrzehnt später in vielen Ländern zur Rückbesinnung auf die ursprünglichen Staatsaufgaben, einer Abkehr von wachsender Staatsverschuldung und Konzentration des Staates auf eine langfristig stabilisierende Ein- und Ausgabenpolitik.

Steuerquote

Staatsquote
(2002=48%)

Steuerstruktur

Steueraufkommen

  Bezüglich der Einnahmenpoltik lassen sich folgende gesamtwirtschaftliche Problemstellungen der Staatstätigkeit formulieren:
  • In welchem Umfang können die Wirtschaftssubjekte mit Steuern und Abgaben belastet werden (Steuerquote = Anteil der Steuern am BNE, Staatsquote = Anteil der Staatsausgaben [Gebietskörperschaften und Sozialversicherer] am BNE), ohne die Gesamtwirtschaft und deren Wachstum zu gefährden ?
  • In welcher Struktur soll das Steueraufkommen erbracht werden (z.B. Verhältnis Lohnsteuer zu Mehrwertsteuer) und zu welchen Folgen führt dies bei den belasteten Größen (Faktor Arbeit bzw. Verbrauch)?
  • In welcher Struktur werden die Einnahmen auf die Gebietskörperschaften aufgeteilt?
Tabelle 13-1:
Einnahmen und Ausgaben des Bundes 1999,
Quelle: BMWi
 

     
    Bezüglich der Ausgabenpolitik lassen sich folgende gesamtwirtschaftliche Problemstellungen der Staatstätigkeit formulieren:
  • Wie sind die Ausgaben strukturiert (z.B. Verhältnis von Investitionen und konsumtiven Ausgaben)?
  • In welchem Umfang engen "vorbestimmte Ausgaben" engen Entscheidungsspielräume ein, z.B. Schuldendienst oder Beamtenpensionen?
  • Wie werden Ausgaben als Instrument der Wirtschaftspolitik ( AM 20 ) eingesetzt?
Staatsverschuldung   Insbesondere mit dem Übergang zu einer keynesianistischen Wirtschaftspolitik ( AM 14 und 20 ) aber auch danach haben die Gebietskörperschaften mehr ausgegeben als eingenommen. Positiv betrachtet taten sie dies als Vorausset-zung und im Vorgriff auf künftige Prosperität und Einnahmen; negativ betrachtet hat eine Genration ihren Wohlstand auf Kosten der künftigen vergrößert.
     
Tabelle 13-2:
Struktur der Verschuldung der Gebietskörperschften 2000,
Quelle: BMF
 

    Um den negativen Folgen einer solchen Politik vorzubeugen, ist die Staatsverschuldung in Deutschland begrenzt. Obergrenzen der Staatsverschuldung :
   
  • Artikel 115 des Grundgesetzes begrenzt die Neuverschuldung des Bundes auf die Größe des Investitionsanteils am Budget, wobei allerdings Ausnahmen zugelassen sind. Diese Begrenzung geht davon aus, daß mit einer investiven Verwendung der Schulden die Voraussetzungen für künftiges Wachstum und damit Steuereinnahmen zur Schuldentilgung gelegt werden.
  • Der Vertrag von Maastricht ( AM 18 ) sah als Orientierung für die Teilnahme an der Währungsunion Verschuldungsgrenzen vor, welche durch den sog. Stabilitätspakt der Euro-Länder auch weiterhin gelten. Zum einen soll die Gesamtverschuldung der öffentlichen Hände 60 Prozent des BIP nicht übersteigen, zum anderen soll - um dieses Ziel zu erreichen - die Neuverschuldung ( AM14 ) 3 Prozent des BIP nicht überschreiten.
Abb.: 13-1:
Vergleich der Quoten derStaatsverschuldung 2000
Quelle: OECD
 

     
Parafisken   2. Einnahmen und Ausgaben der Parafisken

In Deutschland haben sich in den vergangen Jahrhunderten und ganz besonders mit Beginn des Industriezeitalters verschieden soziale Sicherungssysteme entwickelt. Sowohl diese Vielfalt, welche unterschiedliche Bevölkerungsgruppen unterschiedlich behandelt, wie auch die einzelnen Sicherungssysteme an sich stehen derzeit permanent in der Diskussion:

Genrationenvertrag
Solidarprinzip
 
  • Führt die Vielzahl der Versicherungssysteme zu zunehmender Ungleichbe­handlung der Bevölkerungsgruppen (Gerechtigkeitsproblem)?
  • Ist der Generationenvertrag, d.h. die Pflichtversicherten der arbeiten­den Generation finanzieren die Renten der zur gleichen Zeit An­spruchsberech­tigten) der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem wachsender Rent­ner- und rückläufiger Geburtenzahl weiterhin finan­zierbar?
  • Führen ständig steigende Beitrage zu den Sozialkassen über höhere Lohnebenkosten zu mehr Arbeitslosigkeit?
  • Gefährden versicherungsfremde Leistungen die Versiche­rungen?
  • Ist die moderne Hochleistungsmedizin noch für alle im gleichen Umfang fi­nanzierbar?
  • Kann eine Vielzahl von Kassen ohne Wettbewerb effizient sein?
  • Wird das Solidarprinzip (Finanzierung gleicher Leistungen z.B. in der Kranken­versicherung durch unterschiedliche der wirtschaftlichen Leis­tungsfähigkeit entsprechende Beiträge) durch immer stärkere Restriktionen, z.B. Kontingente, gefährdet?
    Veränderungen im Lebensbaum, neue Arbeitsverhältnisse in den neuen Industrien und unterschiedlich belastete Bevölkerungsgruppen und die Verteuerung und Verdrängung des Faktors Arbeit durch die Sozialkosten stellen darüber hinaus die Frage nach grundsätzlichen Änderungen, wie sie zum Beispiel in der Schweiz vorgenommen wurden ( Alten- und Hinterlasseneversicherung Schweiz).
     
Abb 13-2:
Anstieg der Steuer- und Sozialabgaben,
indiziert für1965,
Quelle: BLZ
 

     
    Insbesondere der Vergleich mit den Lösungen, welche in anderen Ländern zu den vorangenannten Problemen gefunden wurden, unterstreicht den Reformbedarf der deutschen Sozialsysteme (sh. Linkempfehlung 1). Zunehmend sind diese Systeme auch einem europäischen und globalen Wettbewerb ausgesetzt.
     
Abb. 13-3:
Abgabenquoten 1999
(Anteil der Steuern und Sozialabgaben am BIP) im Vergleich
Quelle: OECD
 

     
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