Ralf Wagner Leitfaden Volkswirtschaftslehre © 1996-2002
Kapitel 10
  Ralf Wagner Leitfaden Volkswirtschaftslehre © 1996-2009
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    10. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
   

„Arbeit ist und bleibt die Grundlage des Wohlstandes“
Ludwig Erhard

     
VWGR
ESVG
  Mit dem Übergang von der Mikro- zur Makroökonomie erfolgt auch der Über­gang von der Betrach­tung der Einzelgüter zur gesamtwirtschaftlichen Lei­stung. Diese wird in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) mit dem Bruttoinlandsprodukt und dem Bruttonationaleinkommen gemes­sen. Die Erhe­bungen werden durch das Statistische Bundesamt auf der Grundlage des verbindlichen Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) durchgeführt. Ausgangspunkt sind Definitionen des Internationalen Währungsfonds (IWF), welche eine weltweite Vergleichbarkeit sichern.

BIP

BNE (früher BSP)

Saldo der Primäreinkommen aus der übrigen Welt

  Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) erfasst die Summe der Güter und Dienstleistungen, die in den Grenzen eines Landes (oder einer Verwaltungs­einheit) in einem bestimmten Zeitraum, in der Re­gel in einem Jahr, herge­stellt bzw. gekauft werden. Aufgrund dieser Bezugsebene spricht man bei seiner Erhebung vom Inlandsprinzip.
Die dabei von den Inländern (Inländer = ständige Bewohner einer Verwaltungseinheit) erzielten Bruttoprimäreinkommen werden mit dem Bruttonationaleinkommen (BNE), dem frü­heren Bruttosozialprodukt gemessen.
BIP und BNE unter­scheiden sich durch den Saldo der Primäreinkommen aus der übrigen Welt, d.h. man addiert zum BIP die Primärein­kommen der Inländer im Aus­land und subtrahiert die Einkommen der Auslän­der im Inland und erhält das BNE.
Während das BIP sich aufgrund seiner einfacheren Bezugsgrundlage als Größe der Wirtschaftsleistung durchgesetzt hat, bildet des BNE (BSP) durch seine Bindung an die Inländer nach wie vor die Grundlage von Einkommens­rechnungen und z.B. auch der Beitragsberechnungen für die Europäische Union.
Brutto- und Nettogrößen von BIP und BNE (BSP) unterscheiden sich durch die Abschreibungen. Als Wertübertragungen aus in bereits in den Vorjahren er­fassten Investitionsgütern, welche in die Preise der in der untersuchten Pe­riode betrachteten Güter und Leistungen bzw. Einkommen eingehen, sind sie nicht Bestandteil der jeweils neuen Wertschöpfung.
Entstehungs-, Verwendungs- und Verteilungsrechnung

Bruttowertschöpfung

Außenbeitrag

  Drei Wege stehen daher für die Ermittlung der Wirtschaftsleistung zur Verfügung.
(1) In der Entstehungsrechnung werden die Leistungen der Wirtschaftsbe­reiche zusammengefasst. Um Mehrfachzählungen, die durch die Weiterverar­beitung von Gütern eines Unternehmens durch ein anderes entstehen wür­den, wird die Summe dieser Leistungen (Produktionswert) um die wechselseitigen und importierten Vorleistungen (Eigenverbrauch einer Volkswirtschaft) vermindert, was zur Bruttowertschöpfung führt. Addiert man die Nettogütersteuern (Gütersteuern vermindert um die Subventionen) erhält man das BIP (früher BIP Marktpreisen).
(2) Die Verwendungsrechnung gibt Aufschluss, welchem Zweck die als BIP hergestellten Güter und Leistungen zugeführt werden, ob sie beispielsweise konsumiert oder investiert werden. Hinzu kommen der Staatsverbrauch und der Außenbeitrag (Exporte minus Importe). Die Importe werden zwar verbraucht, nicht aber von der betrachteten Volkswirtschaft erzeugt und somit heraus gerechnet.
(3) Werden die Güter und Leistungen verkauft, entstehen Einkommen, das Bruttonationaleinkommen. Hier wechselt allerdings die Bezugsgrundlage vom Inland zu den Inländern, welche diese Einkommen beziehen. Diese Bruttoprimäreinkommen setzen sich Einkommen aus unselbständiger Arbeit, Einkommen aus Unternehmertätigkeit, Kapitalerträgen und Abschreibungen zusammen
.
Verteilung
und
Umverteilung
  Diese Rechnung wird als Verteilungsrechnung bezeichnet, da sie abbildet, wie die erzielten Einkommen zunächst verteilt werden. Diese Verteilung wird auch Primärverteilung und die daraus resultierenden Einkommen als Primäreinkommen bezeichnet.
Durch die Besteuerung dieser Einkommen und Belegung mit Abgaben wird die Grundlage der Umverteilung (Sekundärverteilung) durch den Staat zur Finanzierung der öffentlichen Güter und der Transfereinkommen (siehe
AM 9) geschaffen. Als Maß für den Umfang der Umverteilung gilt die Staatsquote (Anteil der Staatsausgaben am BIP bzw. BNE, siehe AM13).
Eine Betrachtung derEinkommensrechnung über mehrere Jahre hinweg führt zur Ver­mögensrechnung (siehe
AM12).
Volkseinkommen   Eine Verminderung des BNE um die Ab­chreibungen führt zum Nettonationaleinkommen.
Werden zusätzlich die darin noch enthaltenen Nettoproduktionsabgaben subtrahiert (-Produktions- und Importabgaben + Subventionen) erhält man das Volkseinkommen, also jenes Einkommen, welche die Inländer durch wirt­schaftliche Tätigkeiten neu erzielen können.
    Es lassen sich folgende Gleichungen aufstellen:
Berechnung  
(1) Entstehungsrechnung
  BPW (Bruttoproduktionswert)
- VL (Vorleistungen)
= Bruttowertschöpfung
+ Gütersteuern abzüglich Subventionen
= BIP
  (2) Verwendungsrechnung
  C (Konsumgüter)
+ I (Investitionsgüter, Bruttoinvestitionen)
+ öG (öffentliche Güter)
+ EXP (Exportgüter) - IMP (Importgüter)
= BIP
(3) Verteilungsrechnung
  L (Löhne)
+ G (Gewinne, Einkommen aus selbst. Tätigkeit und Kapitalerträge)
= VE (Volkseinkommen)
+ A (Abschreibungen [ bzw. D, engl. depreciations]
+ Produktions- und Importabgaben abzüglich Subventionen
= BNE
- Saldo der Primäreinkommen aus der übrigen Welt
= BIP
     
Lohn- und
Gewinnquote
  Aus dem Volkseinkommen VE = L + G lassen sich Lohn- (L/VE) und Gewinnquote (G/VE) ermitteln. Derzeit sinkt die Lohnquote. Sie betrug 2007 64,7 Prozent. Einer leichten Steigerung der Einkommen aus unselbständiger Arbeit stand ein schnelleres Wachstum der Unternehmenseinkommen und Kapitalerträge gegenüber.
     
Abb.10-1:
Kennzahlen der
Wirtschaftsleistung,
Quelle:
Statistisches
Bundesamt
 
     
reale
und
nominale
Wachstumsrate
  Die Wirtschaftsleistung wird zunächst in den jeweiligen Preisen gemessen, d.h. Entwicklung des Geldwertes(Inflation bzw. Deflation) ist noch darin enthalten. Eine solche Veränderung nennt man nominal.
Wird die nominale Größe inflationsberei­nigt heißt sie real. In einem Prozess der Deflationierung werden alle Güter der Folge-, ggf. auch der Vorperioden mit Preisen eines Basisjahres (derzeit 2005) bewertet. Um die dabei auftretenden Fehler durch z.B. nicht verfügbare Preise neuer Güter zu minimieren wird derzeit eine Kettenindizierung (jährliche Anpassung) eingeführt.
Die als Ergebnis ermittelte Wachstumsrate stellt die prozentuale Veränderung der unter­suchten Größe zum Vorzeitraum dar. Betrachtet man diese Veränderungen z.B. des BIP über viele Jahre, kann man Aussagen über die Entwicklung des Wachstums einer Volkswirt­schaft treffen. So nimmt in Abb.10-1 die Wachs­tumsrate des BIP in Deutsch­land tendenziell ab, ohne dass sie jedoch null zu werden scheint. Auch ist ein beständiges Auf und Ab der Wachstumsraten zu erkennen – die Konjunktur (siehe
AM 15).
     

Abb.10-2:
langfristige
Entwicklung des BIP in Deutschland,

reale Wachstumsraten in Prozent,
Quelle:
Statistisches
Bundesamt

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  RW Abb. 10-2: BIP-Entwciklung in D - zum Vergrößern anklicken
     

Abb. 10-3:
Beitrag der Sektoren zum BIP 2007, Quelle:
Statistisches
Bundesamt

  Die Struktur der Entstehung des Bruttoinlandsprodukts ändert sich nur sehr langsam.

RW Abb. 10-3: Beitrag der Sektoren zum BIP

Während der Anteil der Landwirtschaft in den zurückliegenden Jahren beständig abnahm, schwankten Dienstleistungen und produzierendes Gewerbe in ihren Relationen – mit einem Trend zur Stärkung des Dienstleistungsanteils.

    Pro Kopf wurden 2007 27310 € BIP erzeugt. Allerdings differieren die Werte sehr stark zwischen den Bundesländern. Da aber auch die Erwerbsbeteiligung in den Ländern sehr unterschiedlich ist, muss die Pro-Kopf-Betrachtung durch eine Berechnung des BIP pro Erwerbstätigen (Produktivität) ergänzt werden.
     
Abb. 10-4:
BIP in Euro pro Kopf 2007
nach Bundesländern,
Quelle:
Statistisches
Bundesamt

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  Abb. 10-4: Pro-Kopf-BIP im Vergleich - zum Vergrößern anklicken
     
    Weitaus größer sind aber die Unterschiede, welche ein weltweiter Vergleich der Wirtschaftsleistung zeigt. Solche Darstellungen werden vorwiegend in einer Währung, in der Regel US-Dollar, erstellt. Die dabei verwendeten jeweils aktuellen Wechselkurse können jedoch nicht sehr unterschiedliche innere Kaufkraft berücksichtigen. Daher werden zum Vergleich zunehmend Umrechnungen in Kaufkraftstandards [engl. purchasing power parity, PPP] genutzt.
     
Abbildung 10-5:
BIP in US$ pro Kopf
Quelle:
IWF

Abbildung 10-6:
(unten)
"The Big Four",
BIP 2007 in Mrd US$,
Quelle:
IWF

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   RW Abb. 10-5 BIP-Vergleich - zum Vergrößern anklicken
     
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